Digitale Transformation und deren Auswirkungen Teil 01

Die 3-teilige Blogserie Digitale Transformation und deren Auswirkungen zeigt die mit der digitalen Transformation verbundene Komplexität aus Sicht des Kultur- und Museumsmanagements auf. Sie sensibilisiert für die unvermeidlichen Veränderungen, die die Digitalisierung und virtuelle Vernetzung mit sich bringt. Und stellt die zentrale Frage, wie Kulturinstitutionen die digitale Transformation erfolgreich umsetzen können, und den dafür notwendigen Wandel von einer objekt- und formatzentrierten Organisationskultur hin zu einer nutzer- und mitarbeiterzentrierten Organisationskultur gestalten und vollziehen können.

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Kulturinstitutionen als aktive Mitgestalter einer digitalen Öffentlichkeit

Im Zuge der Digitalisierung besteht für Kulturinstitutionen die große Herausforderung darin, ihre Identitäten neu zu definieren und sich als aktive Mitgestalter einer digitalen Öffentlichkeit zu positionieren. Digitale Transformation bedeutet für Kultureinrichtungen die Einbeziehung digitaler Aktivitäten und Fähigkeiten in die gesamte Organisation. Diese zielen darauf ab, digitale Plattformen und Kanäle zu entwickeln und zu nutzen. Um in diesem Kontext Relevanz zu erzeugen, ist eine der zentralen Aufgaben von Kultureinrichtungen, virtuelle Beziehungen zu initiieren und digitale Netzwerke zu bilden, die einen Mehrwert, sowohl für die Organisation und deren Mitarbeiter*innen selbst, als auch für die Nutzer*innen und Akteur*innen kulturell digitaler Angebote haben.

Im ersten Teil geht es um die Sicht der Nutzer*innen und deren veränderte Erwartungen, die eine Orientierung am oder Zentrierung auf die Nutzer*innen für Kulturinstitutionen mit sich bringen. Damit verbundene Herausforderungen und Folgen, wie etwa das Initiieren digitaler Öffentlichkeit mit Relevanz werden thematisiert und dabei mögliche Strategien für Kulturinstitutionen aufgezeigt.

Mehrwert schaffen

Grundlage für eine nachhaltig, relevante Kulturarbeit ist die Schaffung von Mehrwert für ein sowohl analoges, als auch digitales Publikum. Relevant zu sein, bedeutet für Kulturinstitutionen, öffentlich Maßnahmen ins Leben zu rufen und sich zu den Themen zu positionieren, die für sie, aber auch für ihre Nutzer*innen, von zentraler Bedeutung sind (SIMON 2016). Daher ist die Frage, welche Form der Nutzerzentrierung für die eigene Mission wirklich zählt, von maßgeblichem Interesse. Über die Rückkopplung des eigenen Leitgedankens mit kontextbezogenen und aktuell, gesellschaftsrelevanten Themen, die die Lebenswirklichkeiten der Nutzer*innen ansprechen, schaffen Kultureinrichtungen einen Mehrwert für sich und ihre Nutzer*innen. So ist aus der Perspektive der Nutzer*innen ein Mehrwert nur dann vorhanden, wenn der Leitgedanke transparent und teilhabend über die Institution informiert und dieser für Sie einen Teil ihrer eigenen Lebenswirklichkeit relevant beschreibt, und demzufolge für die Nutzer*innen sinnstiftend wird. Aus diesem Grunde ist es mehr als erstrebenswert, dass sich Kulturinstitutionen der Auseinandersetzung mit der digitalen Öffentlichkeit stellen, um die Bedürfnisse und Wünsche der digitalen Öffentlichkeit zu verstehen und sich somit in die Lage zu versetzen, einen Mehrwert für diese zu schaffen und sich als aktiven Mitgestalter der digitalen Öffentlichkeit zu etablieren.

Kulturformen der Digitalität und die dafür notwendigen Strategien

Die Kulturformen der Digitalität bringen ein neues Set an Möglichkeiten und damit verbundene Erwartungen, wie jeder einzelne sich selbst und die Welt konstituieren und begreifen kann, hervor. Auf diese Weise verändern diese unsere Beziehungen zueinander und unseren Umgang mit Wissen und kulturellem Erbe (STALDER 2017). Ihre Allgegenwärtigkeit in der vernetzten Welt, hat für etablierte Kulturinstitutionen enorme Auswirkungen. So gewinnt beispielsweise die Bildung individueller Identitäten, deren Kreativität unterstützt und gefördert wird, im Kontext kultureller Aktivitäten zunehmend an Bedeutung.

Initiieren kreativer Communities

Ergo ist das Initiieren und Fördern von Kreativ-Netzwerken, Netzwerke in denen Nutzer*innen die Möglichkeit haben Produzent*innen kulturellen Materials zu sein, und diese dadurch ihr kreatives Potential entwickeln und ausbauen können, eine der möglichen Strategien von Kulturinstitutionen, sich als aktive Mitgestalter einer digitalen Öffentlichkeit zu positionieren. Denn immer mehr Nutzer*innen fordern einen freien Zugang zu digitalen Kulturgütern ein. Da sie, die durch digitale Technologie zur Verfügung stehende Möglichkeit nutzen möchten, sich im Rahmen von referentiellen Verfahren – wie z.B. Remakes, Remix, Re-Kreativität, MashUps und transformative Nutzung- (STALDER 2017) in kulturelle Prozesse einschreiben und als Kulturproduzenten konstituieren zu können. Dabei verwenden sie, bereits mit Bedeutung versehenes Material, um neue Bedeutung zu schaffen. Referentielle Verfahren zeichnen sich zum einen über die Erkennbarkeit der Quellen und zum anderen über den freien kreativen Umgang mit diesen aus. Initiativen wie beispielsweise die OpenGLAM, ein globales Netzwerk initiiert von der Open Knowledge International , schaffen hierfür die Grundlage.

Beispiele:

Remake Project

GifItUp

RijksStudio

Des Weiteren gilt es aus Sicht der Nutzer*innen als wünschenswert, das Kulturinstitutionen für einen kooperativen Ansatz zur Wissensgenerierung und Vernetzung im World Wide Web Impulse setzen.

Netzwerke von Interesse schaffen

So ist ein Aufbau offener Lernsysteme, in denen ein kooperativer Ansatz zur Wissensgenerierung unterstützt wird, und folglich die Unterscheidung zwischen Laie und Experte immer obsoleter wird, eine weitere mögliche Strategie für Kulturinstitutionen zur aktiven Mitgestaltung digitaler Öffentlichkeit. Indem Kulturinstitutionen einen nachhaltigen Dialog mit der digitalen Öffentlichkeit über Netzwerke von Interesse schaffen. Beispielsweise für jene Nutzer*innen, die an gesellschaftlich, relevanten Themen, interessiert sind, und sich proaktiv am gesellschaftlich, kulturellen Diskurs beteiligen, beziehungsweise dazu ermutigt werden wollen. Denn die Forderungen nach konstruktiver Teilhabe in politischen und gesellschaftlich aktuellen Belangen werden immer lauter. Indirekte Möglichkeitsräume (KRUSE 2007) der Netzwerkkultur schaffen dafür die Basis. Diese sich kontinuierlich prozessual verändernden machtvollen Bewegungen suchen nach Motivationen „[…] und sind ständig bereit zu explodieren, wenn etwas auf emotionale Resonanz stößt“ (KRUSE 2010). Verstehen wir Kultur als geteilte soziale Bedeutung vollzieht sich diese im Kontext der Digitalisierung innerhalb eines größeren Rahmens, für dessen Existenz und Entwicklung gemeinschaftliche Formationen (STALDER 2017) von zentraler Bedeutung sind. So entstehen neue Arten der Gemeinschaftlichkeit,

…in einem Praxisfeld, geprägt durch informellen, aber strukturierten Austausch, […] fokussiert auf die Generierung neuer Wissens- und Handlungsmöglichkeiten und … zusammengehalten durch die reflexive Interpretation der eigenen Praxis […] Das gemeinsame kontinuierliche Lernen, Einüben und Orientieren, der Austausch zwischen Novizen und Experten auf dem gemeinsamen Feld […] dienen dabei dazu, den Rahmen der geteilten Bedeutung aufrecht zu erhalten, das konstituierte Feld zu erweitern, neue Mitglieder zu rekrutieren und den Interpretations- und Handlungsrahmen sich verändernden Bedingungen anzupassen (STALDER 2017: 136-138).

Demzufolge wird die Aufgabe von Kulturinstitutionen zukünftig sein, Formen informeller Öffentlichkeit, die sich im Kontext aktueller Fragestellungen temporär im Netz formieren, zu initiieren und nachhaltig zu begleiten.

Beispiele:

#HRRLive

#MuseumWorkersSpeak

Darüber hinaus wird es aus Sicht der Nutzer*innen immer bedeutsamer, dass sich Kulturinstitutionen im Kontext ihres Leitgedankens zukünftig als Filter relevanter Informationen begreifen.

Verifizierte, kuratierte Daten anbieten

Denn einen weiteren konstitutiven Bestandteil der Kultur der Digitalität stellen durch Algorithmen generierte Ordnungen dar (STALDER 2017). Was relevant ist, bestimmt der Algorithmus sowohl über die Position eines Dokuments als auch über die Zuweisung von Inhalten.

Algorithmizität  bezeichnet jene Aspekte der kulturellen Prozesse, die durch von Maschinen ausgeführte Handlungen (vor-)geordnet sind. Algorithmen transformieren die unüberschaubaren Daten- und Informationsmengen […] in Dimensionen und Formate, welche so durch die menschliche Wahrnehmung überhaupt erst erfasst werden können (STALDER 2017: 95-96).

So erhalten Nutzer*innen nur noch Nachrichten, die zu ihren angestammten Überzeugungen passen und abweichende Standpunkte gehen an Ihnen vorbei.

Für jede Person wird eine andere Ordnung erstellt und nicht mehr nur ein Ausschnitt einer vorgängig bestehenden Ordnung angezeigt. Die Welt wird nicht mehr repräsentiert; sie wird für jeden User eigens generiert und anschließend präsentiert“ (STALDER 2017: 189).

Hier können Kulturinstitutionen als aktive Mitgestalter einer digitalen Öffentlichkeit nachhaltig Einfluss nehmen, indem diese verifizierte und kuratierte Informationen in der vernetzten Welt zur Verfügung stellen, deren Qualität und Multiperspektivität gesichert ist. Überdies stellt die Positionierung von Kulturinstitutionen als Kurator*innen verifizierter Inhalte und als Filter relevanter Informationen, ein neues Wirkungsfeld dar, denn

… Kuratoren können zukünftig eine führende Rolle darin einnehmen, die im World Wide Web täglich geschaffene Fülle an Informationen, zu erforschen und den Teil an Quellen auszuwählen und zugänglich zu machen, der für unsere Gesellschaft sinnstiftend ist. Indem sie für sich die polyphonen Stimmen des World Wide Web entdecken, Verbindungen zwischen Gleichgesinnten herstellen, und so Netzwerke von Interesse aufbauen. Auf diese Weise können Museen (Anm.SJ: Kulturinstitutionen) damit aufhören Inhalte für ein Massenpublikum zu generieren. Stattdessen können sie eine Vielzahl von „Gesprächen“ initiieren,… (JANK 2016)

Beispiel:

piqd

 

Abschließend ist festzustellen, zentraler Bestandteil einer digitalen Öffentlichkeit ist das Bilden und Initiieren von, für die Nutzer*innen, relevanten Netzwerken. Infolgedessen stehen Kulturorganisationen immer mehr unter Druck die oben beschriebenen Formen digitaler Öffentlichkeit zu schaffen und dies erstmalig als eines der Kernthemen im Kontext ihrer Kulturarbeit zu begreifen. Dabei ist es wichtig, dass Kulturinstitutionen eine gezielte, ihrer Leitgedanken entsprechende Ansprache der Nutzer*innen, als wesentliches Paradigma für sich explorieren. Diese Form der Ansprache gepaart mit der dafür notwendigen Grundhaltung (Mindset) – Listen-Share-Engage, lässt Kulturinstitutionen einen nachhaltig, relevanten Dialog in einer vernetzten Welt initiieren und aufbauen.

Sabine Jank, Mai 2018

Literatur:

SIMON, Nina (2016); The Art of Relevance. Santa Cruz, California: Museum 2.0

STALDER, Felix (2017): Kultur der Digitalität. Frankfurt/M.: Suhrkamp 2. Auflage

Links:

JANK, Sabine (2016): Zukunft Partizipation. Museen im Kontext der Digitalisierung. – Zugriff  14.05.2018

KRUSE, Peter Prof. Dr. (2007).  Über Kreativität. Video. – Zugriff  14.05.2018

KRUSE, Peter Prof. Dr. (2010):  Revolution 2.0. Wie die Netzwerkkultur die Gesellschaft verändert.
Aufzeichnung Vortrag. Deutscher Medienkongress 2010 ab 00:09:00. – Zugriff  14.05.2018

Ausblick:

Der zweite Teil der Blogserie richtet den Fokus auf die, für einen nachhaltig, relevanten Dialog notwendige, Nutzerorientierung. Wie schaffen Kulturinstitutionen die für eine nutzerzentrierte Organisationskultur notwendigen agilen Strukturen  und welche organisationalen Veränderungsprozesse sind dafür unumgänglich?

Anmerkung: Basis dieser Blogserie sind Inhalte aus den folgenden Vorträgen:

*Strategien zur Transformation*
FOCUS 2018 Change Management im Museum – 25.April 2018

*Digitale (=soziale) Transformation und deren Relevanz für Museen.* Impulsvortrag
Roadmapping. Digitale Strategien in Museen- MFG Innovationsagentur Medien- und Kreativwirtschaft Baden-Württemberg – 15.November 2017

*Digitale Transformation und deren Auswirkungen*
10. Jahrestagung. Fachverband Kulturmanagement. Kultur im Umbruch. Transformation von Systemen, Institutionen und Formaten. Weimar 19-21.01.2017

Recommended Citation:

Jank, Sabine (2018). Digitale Transformation und deren Auswirkungen. Kulturinstitutionen als aktive Mitgestalter einer digitalen Öffentlichkeit. http://www.szenumlab.de/digitale-transformation-und-deren-auswirkungen-01-sabine-jank/



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